Tafel 2 Linke Seite
Historisches Ensemble Marktstraße 7
(u.a. mit historischem Gewölbe, mittelalterliches Tuffsteinmauerwerk, zwei ehemalige Brunnen, Reste holländischer Wandgemälde)
Grundsätzliches
Auf dem Grundstück Marktstr. 7 befinden sich mehrere historische Mauerreste verschiedener Gebäude, die zumindest bis ins Mittelalter zurückreichen. Die heute noch vorhandenen Alt-Gebäude (Wohnhaus, „Stallgebäude“) Marktstr. 7 wurden wahrscheinlich zwischen 1901 und 1913 errichtet…
Bis zum Abriss 1956 gehörte noch ein Schlachthaus im Hof dazu. Garagen, Werkstatt und Schuppen wurden um 1956 gebaut. Um 1960 wurden der Stall und das darüberliegende Heulager umgebaut.
Das Grundstück hatte im Laufe der Jahrhunderte mehrere Besitzer, wahrscheinlich alle innerhalb der Familie Salomon.
Das Haus war zuerst im Besitz der Familie Salomon. Später ging es in den Besitz der Geschwistern Hoffmann über.
1913 wurde es von Albert Salomon übernommen
1942 ? Vertreibung / Ermordung der Juden / Unbekannte Besitzverhältnisse - Nutzung des leer stehenden Hauses durch in Not geratene Zündorfer
1951 Rückerstattung an die Erben der verstorbenen Geschwister Salomon, Elisabeth Hoffmann, Aachen, Margarethe Elisabeth Kahn, Chelmsford Maas, USA und Walter Voss, Aachen im Rahmen eines Rückerstattungsverfahrens.
1954 Kauf durch Johann und Margarete Burgwinkel, Schmittgasse 51, Porz-Zündorf, über den jüdischen Weltkongress von der Erbengemeinschaft Voss / Hoffmann in Aachen. Zwecks Ausbau des Grundstücks für ihre Dachdeckerfirma.
2003 Übertragung des Haus an ihrem Sohn Hans Burgwinkel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Nachbarn das Grundstück unter sich „aufgeteilt“, wobei 2 von vieren es nach dem Kauf sofort „zurückgaben“, bei den anderen beiden musste erst eine gerichtliche Klärung erfolgen…
Im gerichtlichen Nachbarschaftsstreit hinsichtlich der 1938 zum Wohnhaus umgebauten Synagoge wurde 1962 die „jüdische“ Vorgeschichte und somit die Nazizeit lebendig.
Die Familie Salomon zählte zu den ältesten jüdischen Familien in Zündorf und scheint wohlhabend gewesen zu sein. So wurde lt. Quellen bereits 1713 „eine Stube im Haus von Andreas Salomon“ als Synagogenbehelf in Niederzündorf eingerichtet – bis 1880 eine neue große Synagoge an der Hauptstraße gebaut werden konnte. Andreas Salomon übte zumindest im Betsaal des Hauses Marktstr. 7 die Funktion eines „Vorsängers“ aus.
Da unter dem Namen Andreas Salomon sechs Grundstücke, zwei in der Marktstraße, drei in der Kirchgasse und eins in Oberzündorf, dokumentiert sind, ist es wahrscheinlich, dass sich dieser Betsaal im Haus Marktstraße 7 (einem Vorgängerbau des heutigen Hauses) befand, zumal es sich hier um ein sehr großes Grundstück handelt. Dort ist auch im Keller ein unerklärlicher seitlicher Zugang zu einem Brunnen erkennbar. Dennoch scheint es hier keine Mikwe – ein religiös-rituelles Tauchbad - gegeben zu haben, obwohl eigentlich jede jüdische Gemeinde eine Mikwe haben sollte. Eine Mikwe wurde/wird im Vorhof der später auf einem Nachbargrundstück gebauten Synagoge zwar vermutet, aber (noch?) nicht gefunden. Sie wurde auch weder im Rahmen der Eröffnung noch in den Umbauunterlagen 1938 erwähnt.
Jeden Sonntagmorgen trank er seinen Frühschoppen in der Gaststätte an der Ecke Marktstraße/ Hauptstraße, bis ihn seine Frau lauthals über die Straße zum Essen rief….
Bekannt war – wie ehemalige Nachbarn berichten - auch seine „Jüdde-Zupp“, eine kräftige Rindfleischsuppe mit dicken Fettaugen, die die Familie Salomon kranken Mitbürgern brachte, um sie aufzupäppeln.
Jüdische Metzger in Zündorf – u.a. neben Hermann Brünell in der Keimergasse auch Albert Salomon in Marktstr 7 - gaben Zündorfer Kleinbauern Kühe zum Mästen, die dann später zurückgebracht und geschlachtet wurden. Das Futtergeld wurde mit dem Milchertrag abgegolten. Daher gab es auf dem Grundstück neben dem Schlachthaus auch einen Stall. Der nebenan wohnende Bauer Voosen hatte sogar einen eigenen Zugang zum Nachbargrundstück im Hof. Das Grundstück hatte ihnen vorher Albert(?) Salomon verkauft – ebenso ein Grundstück an einen weiteren Kleinbauern an der Ecke Marktstr.
Obwohl Albert Salomon vollkommen in die Dorfgemeinde aufgenommen war und auch im Zündorfer Kegelclub Mitglied war, warfen einige Zündorfer in der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 die Schaufenster seiner Metzgerei in Scherben.
Albert Salomon wehrte sich lange massiv gegen den Verkauf bzw. die Umwandlung in ein Wohnhaus - zunächst persönlich, später nur noch über seine Schwester. Am 29.11.1937 schreibt die Synagogengemeinde an den Käufer (ein enger Freund des Blockleiters und Parteigenossen S.), dass sie „unter Bezug auf die gestrige Unterredung“ bereit ist, die Synagoge in Zündorf für 800 Mark an ihn zu verkaufen u.a. unter den Bedingungen, dass die zum Garten des Herrn Salomon gelegenen Fenster zugemauert werden und vor allem, dass auch im Falle von Weiterveräußerungen dort niemals Schweine-ställe angelegt werden dürfen.
Nach dem "Kauf" von der jüdischen Gemeinde wurden - wie um 1960 gerichtlich bestätigt wurde - illegal Wohnraumfenster zum Garten des jüdischen Kaufmanns Salomons gebaut. Sein Widerspruch wurde am 8. März 1938 abgelehnt, u.a. mit einer Stellungnahme der Stadt Porz, die schrieb, dass die Meinung von Juden nicht zähle, da sie "gänzlich außerhalb der Volksgemeinschaft" stünden......